Geschmacksführer: Madeira Cask
Der Madeira Likörwein von der gleichnamigen portugiesischen Atlantik-Insel zählt zur Gruppe der aufgespriteten, d.h. mit Branntwein versetzten Weine, von denen Sherry und Portwein weitere bekannte Vertreter sind.
Beim Madeira wird der Gärprozess ähnlich wie beim Portwein aus Gründen der besseren Haltbarkeit mit 96%igen Alkohol abgebrochen, es handelt sich um einen teiloxidierten Wein.
Der Überlieferung nach berichteten portugiesische Seeleute, dass sich der Wein nach langen Schiffsreisen durch die Tropen zum Positiven veränderte. Dieser Transport wurde fortan gezielt durchgeführt. Ausgewählte Weine in relativ kleinen Fässern machten die Torna viagem, die Schiffsreise in die portugiesischen Überseeprovinzen durch, wodurch der Reifungsprozess, die sogenannte Madeirisierung, besonders unterstützt wurde.
Heutzutage werden Madeirafässer nicht mehr per Schiff in die Tropen gebracht, sondern der für den typischen Madeira-Geschmack so entscheidende karamellisierende Effekt der Hitze wird durch eine von zwei Herstellungsmethoden erzielt:
1. Die klassische, mindestens zwei Jahre dauernde Canteiro-Methode, bei der der aufgespritete Jungmadeira im Holzfass direkt unter den Wellblechdächern der Adegas der Hitze ausgesetzt wird. Nicht nur aus Gründen des bei dieser Methode besonders hohen Alkoholverlusts im Holzfass, ein uns Whiskyfreunden nur zu gut bekanntes Phänomen, wird diese Methode heutzutage nur noch sehr selten angewendet. Die Canteiro-Weine dürfen frühestens nach drei Jahren in den Handel kommen, gerechnet ab dem 1. Januar des auf die Weinlese folgenden Jahres. Der weitere Ausbau erfolgt in Eichenholzfässern. Die meisten Weine werden verschnitten.
2. Die mindestens dreimonatige Estufagem-Methode. Hier wird der Wein verlustarm in Edelstahlbehältern auf 45 bis 50°C erhitzt. Danach erhält er eine dreimonatige Ruhepause (Estágio). Die Weine dürfen niemals vor dem 31. Oktober des zweiten Jahres nach der Weinlese in Flaschen abgefüllt und in den Handel gebracht werden.
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1. Kilchoman Madeirafass-Abfüllungen – Geschichtlicher Überblick
Am 11. Februar 2010 befüllte Kilchoman erstmals in seiner Geschichte einige wenige Madeirafässer (Nr. 65 – 70/2010) auf „experimenteller Basis“ mit New Make.
Die erste Madeira Cask Release von Kilchoman erschien dann am 1. Dezember 2014 exklusiv für Mitglieder des Kilchoman Club. Für diese 3. Club Release waren zwei der oben genannten Madeira-Fässer ausgewählt worden.
Anthony Wills schrieb zum Erscheinen dieser Release: »We filled a small number of Madeira casks in early 2010 as a bit of an experiment and we are very happy with the results; the strong, robust Madeira maturation has certainly made its presence felt, that said the spirit retains a lot of the classic Kilchoman characteristics.
I wanted to offer our members something they wouldn’t have tried from us before. It’s a shame we couldn’t have made more bottles available but we need to retain some stock for future releases.«
Die erste Madeira Cask Matured Limited Release folgte dann ein Jahr später am 5. Oktober 2015. Destilliert Anfang 2011 lagerte der Whisky für über 4 Jahre in 17 Madeira-Fässern. Abgefüllt wurden 6.100 Flaschen mit einem Alkoholgehalt von 50% abv.
Anthony Wills schrieb dazu: »This release is a break from the norm for us, it represents a bit of an experiment with full maturation rather than simply finishing whisky in casks like Madeira. Full maturation means that the impact of the cask is that much greater, the challenge is to ensure the whisky remains balanced and the influence of the Madeira cask is integrated with that of the Kilchoman spirit.«
Seit 2018 folgten relativ regelmäßig Madeira Einzelfass-Abfüllungen für verschiedene Länder. Dabei handelte es sich meist um Madeira Finishings mit unterschiedlichen Madeira-Nachreifungszeiten von 6 Wochen bis zu zwei Jahren, aber auch einige Vollreifungen waren darunter. Gut dreißig Abfüllungen sind bis heute weltweit erschienen, die es dem Kilchoman-Liebhaber sehr gut erlauben, den Madeirafass-Einfluss auf die Reifung nachzuvollziehen.
Auch innerhalb der Small Batch Reihe für ausgewählte Märkte, deren Konzept es bekanntlich ist, den Einfluss verschiedener „experimenteller“ Fasstypen auf den Kilchoman-Whisky zu illustrieren, erschienen schon mehrere Abfüllungen mit Madeirafass-Anteil.
Im März 2022 folgte schließlich die zweite Madeira Cask Matured Limited Release mit einer Auflage von 17.000 Flaschen. Diese Abfüllung sollte eigentlich bereits im Herbst 2021 erscheinen, aufgrund von Lieferengpässen leerer Kilchoman-Flaschen musste die Release dann aber auf Anfang 2022 verschoben werden – mit Ausnahme einiger Märkte (wie z.B. Schweden), die schon zeitversetzt vor dem Flaschenproblem beliefert worden waren.
Diese zweite Kilchoman Madeira Cask Matured Release ist ein Vatting aus 46 frischen Madeira Hogsheads, in denen der im Mai 2016 destillierte Whisky für über 5 Jahre reifen konnte.
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2. Crème brûlée mit Orangenschalen oder Wie schmeckt Kilchoman-Whisky aus dem Madeirafass?
Die durch Karamellisierung eines Teils der enthaltenen Zucker erzielten typischen Geschmacksnoten eines Madeiraweins lassen sich auch recht deutlich in den Whiskies wiederfinden, die in Madeirafässern gelagert oder nachgereift wurden.
Verbrannter Zucker, Karamell, Vanille sind dabei die ersten auffälligen Geruchs- und Geschmackseindrücke gepaart mit einer subtilen Note nach Orangenschalen und schon recht früh in der Reifung Eichenholztöne. „Crème brûlée mit Orangenschalen“ gibt meines Erachtens die Geschmackseindrücke griffig-treffend wieder. Dazu treten von Abfüllung zu Abfüllung mehr oder weniger präsent Geruchs- und Geschmacksnoten noch roten Früchten, schwarzen Brombeeren und eine gewisse Würzigkeit. Für einen Kilchoman-Whisky typisch, sind natürlich auch Torfrauchnoten ziemlich präsent, auch wenn auffällig ist, dass diese nach einigen Jahren der Lagerung in Madeirafässern etwas zurücktreten. Die typischen Geschmackstöne von Kilchoman New Make (gekochte gelbe Früchte, Malz, Zitrus) treten, abhängig von der Länge der Reifung bzw. Nachreifung, in den Hintergrund. Madeirafässer sind ähnlich wie Sherry- oder Portweinfässern in dieser Hinsicht recht dominant und es bedarf daher einer häufigeren Geschmackskontrolle des reifenden Destillates als beispielsweise bei Bourbonfässern, möchte man einen ausgewogenen Whisky und nicht eine „Sherrybombe“ oder hier „Madeirabombe“ erzielen.
Unsere Kilchoman Benchmark-Whiskies für den typischen Madeiraeinfluss sind dabei die erste Madeira Cask Matured Limited Release von 2015 für eine Vollreifung und das Madeira Single Cask Finish 768/2011 für WHIZITA für eine Nachreifung.
Kosten sollte man unbedingt auch die Madeira-Vollreifung für das Brühler Whiskyhaus (Fass-Nr. 765/2015), nicht nur weil sie mit 9 Jahren eine der ältesten zur Zeit erhältlichen Madeira-Vollreifungen darstellt, sondern weil es sich hier um einen 100% Islay Whisky handelt. Der geringere Torfgehalt lässt hier die typische Kilchoman-Fruchtigkeit deutlicher durchscheinen, so dass dieser Whisky weniger madeiratönig anmutet als beispielsweise das zweijährige Finish von WHIZITA aber deutlich komplexer erscheint.
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3. Bisherige Madeira Cask-Abfüllungen von Kilchoman (Finish und Vollreifung)
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